Wieder einmal wurde nachgewiesen, dass Entscheidungen von Bundesumweltministerin Lemke und Bundeswirtschaftsminister Habeck nicht nach sachlichen, sondern nach ideologischen Gesichtspunkten getroffen wurden. Das Magazin Cicero und die WELT am Sonntag haben am 29. Oktober einen Artikel veröffentlicht, der die Abläufe in den beiden Ministerien offenlegt. Basis des Artikels sind 166 Dokumente, die das Bundesumweltminsterium auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes zur Verfügung stellte – während das Bundeswirtschaftsministerium bisher die Herausgabe dieses Schriftverkehrs verweigert.

Einerseits wird damit nachgewiesen, dass bereits am 4.März 2022 der Text vorlag, mit dem die beiden Minister Lemke und Habeck am 8. März den Weiterbetrieb der drei noch laufenden deutschen Kernkraftwerke unter anderem aus angeblichen sicherheitstechnischen Aspekten und wegen geringen Einflusses auf den Strompreis ablehnten. Das Fachgespräch mit den Betreibern der Kernkraftwerke fand allerdings erst am 5. März 2022 statt.

Andererseits lagen vor dem 8. März sowohl von Seiten der KKW-Betreiber, als auch von Seiten der Reaktorsicherheitskommission eindeutige Stellungnahmen vor, die einen Weiterbetrieb der drei Kraftwerke erstens aus Gründen der Versorgungssicherheit, zweitens aus Gründen der Preisstabilität dringend empfahlen und diesen Weiterbetrieb auch als sicherheitstechnisch unbedenklich einstuften. Diese positiven Einschätzungen wurden aber in dem so genannten „Prüfbericht“ der beiden Ministerien nicht genannt.

Sachverständige sollten es auch danach schwer haben, von der Regierung gehört zu werden. Als der Technisch-Wissenschaftliche Geschäftsführer der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, Uwe Stoll, im März im Gespräch mit WELT AM SONNTAG erklärte, er könne die sicherheitstechnischen Bedenken der Ministerien „nicht nachvollziehen“ und sei überdies dazu auch nicht konsultiert worden, zog das eine scharfe schriftliche Rüge von Gerrit Niehaus, dem Abteilungsleiter Nukleare Sicherheit im Umweltministerium nach sich, wie sich jetzt in der Schriftsammlung zeigt.

„Wir entscheiden, ob und ggf. welche Expertise wir für unsere Entscheidungen heranziehen“, blaffte Niehaus den Kerntechnikexperten an. Er halte es „für nicht angemessen, eine derartige Kritik als Leiter einer Sachverständigenorganisation zu äußern“.

Wetzel, D.: Die 166 Dokumente, die den Mythos vom fairen AKW-Entscheid entlarven. WELT am Sonntag, 29.10.2022

Es ist einfach unglaublich, in welchem Maß hier Sachkompetenz zu Gunsten einer vorgefertigten ideologischen Meinung ignoriert wird.

Update 4.11.2022

Die Medienberichte in Cicero und der WELT zeigen insofern Wirkung, als Erwin Lindauer, ehemaliges Mitglied der Reaktorsicherheitskommission, zusammen mit aktuellen RSK-Mitgliedern nun in einem offenen Brief an verschiedene Politiker weitere Fakten zur angeblichen Prüfung durch Bundeswirtschaftsminister Habeck vorlegt. Außerdem hat Cicero Klage gegen das Bundeswirtschaftsministerium eingereicht, um Einsicht in alle Akten zu erhalten.

Der in der E-Mail namentlich nicht genannte Fachmann kritisiert die Ministeriumsspitze in deutlichen Worten: „Ich muss dem BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) in dieser Debatte leider eine gewisse Schizophrenie attestieren“, schreibt er. „Während wir das EKBG (Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz) in den höchsten Tönen loben und uns vom Weiterbetrieb von Kohle- und Öl- Kondensationsanlagen eine riesige Gaseinsparung erhoffen, sprechen wir dem Weiterbetrieb von AKW-Kondensationsanlagen diese Eigenschaft ab.“

Gräber, D. (2022): Cicero verklagt Wirtschaftsministerium auf Akteneinsicht. Cicero. 3.11.2022
Ergebnisoffene Prüfung? – Pustekuchen!
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