Erdgas spielt, das wissen wir inzwischen alle, eine herausragende Rolle für unsere Energieversorgung in Deutschland – und zwar viel mehr, als dies in anderen Ländern der Fall ist. Dabei ist den meisten Menschen gar nicht klar, um was es sich bei Erdgas und dem verflüssigten Liquid Natural Gas LNG eigentlich handelt: Sie bestehen zum größten Teil aus Methan, chemisch CH4, also einfach die Verbindung eines Kohlenstoff-Atoms mit vier Wasserstoff-Atomen. Genauer: Erdgas H besteht aus 87-99 Prozent Methan, Erdgas L aus 80-87 Prozent Methan. Wenn also Erdgas gefördert, umgefüllt und transportiert wird, entweicht durch die dabei auftretenden Transportverluste Methan in die Atmosphäre. Und zwar, das ist plausibel, um so mehr, je mehr Zwischenstationen es gibt.
Das ist ein Problem, weil Methan sehr viel stärker zum Treibhauseffekt beiträgt, als das von Politikern und „Klimaaktivisten“ verteufelte CO2. Nach den Daten des Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC aus dem Jahr 2013 ist der Treibhauseffekt von Erdgas in den ersten 20 Jahren bis zu 87 mal so groß und in den ersten 100 Jahren bis zu 36 mal so groß wie der von CO2. Die Transportverluste haben also einen enormen Einfluss auf den Klimawandel, wie Christophe McGlade, der Chef des Energy Supply Unit der International Energy Agency IEA 2017 in einer Studie nachwies:
McGlade: „Wir haben uns angeschaut, welche Technologien verfügbar sind und was sie kosten. Dabei kam heraus, dass etwa drei Viertel der Methanverluste technisch vermeidbar sind. Und in 40 bis 50 Prozent aller Fälle würde das nicht einmal etwas kosten. Weil man das aufgefangene Methan ja verkaufen kann. Die Einnahmen sind dann höher als die Ausgaben für den Einbau zusätzlicher Technik.“
„Um denselben Effekt beim Kohlendioxid zu erzielen, müsste die Energiewirtschaft 160 Milliarden Tonnen einsparen. So viel CO2 würden sämtliche Kohlekraftwerke in China ausstoßen, wenn sie noch bis zum Ende des Jahrhunderts liefen. Es geht hier also um wirklich enorme Treibhausgasverminderungen, die möglich sind.“
McGlade, C., zitiert nach Mrasek, V. (2017): Lecks in der Öl- und Gasindustrie, Deutschlandfunk, 6.12.2017
Obwohl also renommierte Experten seit Jahren darauf hinweisen, dass durch bessere Handhabung von Erdgas ohne Zusatzkosten ein signifikanter Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel geleistet werden kann, hört man davon kaum etwas. Stattdessen wird von führenden Politikern ebenso wie von jugendlichen Straftätern gebetsmühlenartig wiederholt, dass es um CO2 ginge.
Tatsächlich beobachten wir nämlich seit 2008 einen deutlichen Anstieg des Methan-Gehaltes der Atmosphäre. Wie man an der Grafik sieht, ging die Zunahme dieses Methan-Gehaltes seit 1980 deutlich zurück – der Anstieg der Kurve flachte sich also bis 2008 ab, und für einige Jahre kam der Anstieg sogar zum Stillstand. Allerdings beginnt sie seit 2008 erneut zu steigen – und die Wissenschaftler rätselten, was der Grund ist. In einem 2016 erschienenen Artikel argumentierte ein Team um den US-amerikanischen Wissenschaftler Hinrich Schaefer, dass es sich nur um „biogene“ Ursachen handeln könne, ibs. um Landwirtschaft. Als Beleg dafür gaben sie an, dass das „zusätzliche“ Methan nach den Messungen einen geringeren Anteil mit dem schweren Kohlenstoffisotop 13C aufweise und stattdessen der Anteil mit dem Kohlenstoffisotop 12C gestiegen sei.

Schaefer, H., Mikaloff-Fletcher, S. E., Veidt, C., Lassey, K. R., Brailsford, G. W., Bromley, T. M., Dlubokencky, E. J., Michel, S. E., Miller, J. B., Levin, I., Lowe, D. C., Martin, R. J., Vaugn, B. H., and White, J. W. C.: A 21st century shift from fossil-fuel to biogenic methane emissions indicated by 13CH4, Science, 352, 80–84, https://doi.org/10.1126/science.aad2705, 2016.
In dem Buch Wider die Angst habe ich mehrfach deutlich darauf hingewiesen, dass der Anstieg der Weltbevölkerung eigentlich hinter vielen Dingen steckt, die uns als „Klimakrise“ vorgehalten werden, mit Bangladesh als konkretem Beispiel. Insbesondere ist klar, dass die verbesserte Ernährungssituation durch die Ausweitung des Reisanbaus erhebliche Mengen an Methan freisetzt (Wider die Angst, p.292) – insofern ist auch dieses Ergebnis plausibel.
Im Jahr 2019 allerdings wies Robert Howarth nach, dass eine andere Quelle ebenfalls für den neuerlichen Anstieg verantwortlich sein kann. Denn dieser Anstieg – der für das Weltklima fatal ist – lässt sich zur Hälfte durch die seit 2008 massiv gestiegene Förderung von Schiefergas in den USA erklären. Schiefergas ist nichts weiter als Erdgas, das eigentlich in tiefen Erdschichten gebunden ist und durch das so genannte Fracking freigesetzt wird – und auch dabei kommt es speziell in den USA in großem Umfang zu Verlusten, bei denen das Gas einfach in die Atmosphäre entweicht.
Correcting earlier analyses for this difference, we conclude that shale-gas production in North America over the past decade may have contributed more than half of all of the increased emissions from fossil fuels globally and approximately one-third of the total increased emissions from all sources globally over the past decade.
Howarth, R.W. (2019): Ideas and perspectives: is shale gas a major driver of recent increase in global atmospheric methane? Biogeosciences, 16, 3033–3046, 2019, https://doi.org/10.5194/bg-16-3033-2019
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hatte schon 2018 darauf hingewiesen, dass durch die eher lockeren Praktiken beim Fracking in den USA und den aufwändigen Schiffstransport des LNG die Transportverluste deutlich zunehmen.
Wenn wir also dieses in den USA durch Fracking gewonnene Erdgas als LNG nach Deutschland importieren, leisten wir bereits ohne es zu verbrennen einen erheblichen Beitrag zum Klimawandel durch die genannten Transportverluste.
Und dabei haben wir die direkten negativen Effekte des aufwändigen Seetransportes auf die Umwelt noch nicht einmal berücksichtigt.
Das ist natürlich ein komplettes Desaster, und entlarvt die Vorstellung eines „nationalen Klimaziels“ als vollkommen absurden Auswuchs der „Acker-Wald-und-Boden“-Ideologie: Es ist weder ethisch vertretbar noch im Sinne der Bekämpfung des Klimawandels, wenn durch diese Importe die Treibhausgas-Emissionen an anderer Stelle steigen.