Eine Vielzahl von Websites, Videoclips und Publikationen macht uns täglich Angst vor den „Giften“ in unserer Umwelt. Ein besonders eklatantes Beispiel ist mir heute aufgefallen, es beginnt mit den Worten

Eine regelmässige Detox Kur (Entgiftung) stellt für den Organismus eine grosse Erleichterung dar. Denn Gifte sind überall um uns herum. In der Luft, der Nahrung, dem Wasser, der Wohnung und in der Kleidung. Viele Gifte kann der Körper selbst ausleiten, aber nicht alle. Die verbleibenden Gifte werden eingelagert und können zu Zellschäden, chronischen Krankheiten bis zu Krebs führen.

Rehberg, C. (2022): Detox Kur – Entgiftung ist wichtiger denn je! – Zentrum für Gesundheit

Anschließend werden allerhand gefährliche Substanzen besprochen, von Arsen über Blei, Pestizide und Schimmelpilzgifte bis zu Quecksilber – und natürlich wird jeweils dazu geschrieben, wo man mit ihnen in Kontakt kommen kann. Allerdings fällt auf, dass diese Hinweise auf mögliche Belastungen aus der ganzen Welt zusammengetragene Fälle sind, und sich keineswegs auf Mitteleuropa übertragen oder verallgemeinern lassen. Das Ganze ist durchsetzt mit Werbeanzeigen für angeblich entgiftende Nahrungsergänzungsmittel und weist am Ende sogar Zitate wissenschaftlicher Arbeiten auf.

Bleiben wir doch einmal, nur als Beispiel für diesen Beitrag, beim giftigen Schwermetall Arsen. Denn in dem oben zitierten Artikel werden pauschale Aussagen wie „Arsen im Reis“ gleich noch mit Studien aus Indien unterfüttert, die negative genetische Auswirkungen ebenso wie mögliche Therapien behandeln. In Indien und Bangladesh ist das tatsächlich ein gewaltiges Problem, weil gerade die Grundwasser tragenden Erdschichten durch natürlich vorkommendes Arsen belastet sind und Millionen von Menschen in diesen Ländern an Arsenvergiftung leiden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat zu diesem Arsenproblem sehr aussagekräftige Daten gesammelt, einen Eindruck von der Auswirkung auf das Leben in Indien kann man von einem kurzen Brief der jungen Wissenschaftlerin Shambhavi Priyam vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern erhalten. In dem oben zitierten Artikel wird aber sorgfältig verschwiegen, dass es sich um ein lange bekanntes Problem auf dem indischen Subkontinent handelt, Stattdessen wird der Eindruck erweckt, dass man dieser Gefahr auch als Bewohner Mitteleuropas ausgesetzt sei – und das ist vollkommen unseriöser Humbug.

Zunächst einmal gibt es in Europa und damit auch in Deutschland seit vielen Jahren sehr strenge Grenzwerte für solche Schadstoffe, die mit großem Messaufwand überwacht werden. Federführend in Deutschland ist dabei das Umweltbundesamt, das die ermittelten Daten auch transparent zur Verfügung stellt. Nur abgesehen davon, dass diese Grenzwerte – wenn wir von lokalen Unfällen absehen – auch eingehalten werden, ergibt sich aus den Messungen ganz eindeutig

Seit 1990 nahm die Belastung durch die meisten Metalle flächendeckend deutlich ab.

Umweltbundesamt (2019):Bioindikation von Luftverunreinigungen

In dem Buch Wider die Angst habe ich die deutliche Verbesserung der Belastung auch für andere Schadstoffe beschrieben, etwa Blei, und die historische Entwicklung aufgezeigt. Die Angstmacherei der „Detox“-Befürworter kann man tatsächlich in jedem Einzelfall durch saubere wissenschaftliche Fakten widerlegen.

Wir leben heute in Bezug auf unsere Atemluft, unsere Nahrung, unser Wasser, unsere Wohnungen und unsere Kleidung in der saubersten und gesündesten Umwelt, die unsere Zivilisation jemals gekannt hat – also ist „Entgiftung“ heute keineswegs „wichtiger denn je“.

Der oben genannte Artikel, der Ausgangspunkt dieses Beitrags ist, basiert also auf einer Unwahrheit.

Nun könnte man damit gut leben, wenn diese „Entgiftung“ durch Nahrungsergänzungsmittel wenigstens funktionieren würde. Dem können wir aber die langjährigen Forschungsergebnisse des dafür sehr bekannten deutsch-britischen Wissenschaftlers Edzard Ernst entgegensetzen, der sich über Jahrzehnte hinweg mit allen möglichen Arten der Alternativmedizin befasst hat. Er ist nicht nur Autor von Standardwerken über das Thema (Ernst, E.; Sing, S. (2009): Gesund ohne Pillen – was kann die Alternativmedizin?, Carl Hanser Verlag, 2009, ISBN 978-3446245549), sondern kritisiert in seinem Blog auch weiterhin die Geschäftemacherei mit der Angst der Menschen.

Das angeborene menschliche Entgiftungssystem, an dem eine Vielzahl von Organen beteiligt ist, wurde in den vergangenen Jahrzehnten ganz gut erforscht. Es funktioniert hervorragend, und musste dies auch. Denn wie bereits geschrieben, waren die Lebensumstände der Menschen nie besser als heute. Ohne dieses natürlich Entgiftungsystem hätten wir weder als Spezies überlebt, noch eine Zivilisation aufbauen können. Die angebliche Entgiftung durch „Detox“ ist also nicht nur unwirksam und unnötig – sondern in manchen Fällen geradezu gefährlich. Nahezu zeitgleich mit dem oben zitierten Artikel schreibt Ernst daher

Bei genauerem Hinschauen entpuppt sich Detox als ausgemachter Humbug, als Glaubenssache. Das Einzige, das hier mit großer Regelmäßigkeit eliminiert wird, ist das Geld aus den Taschen der Leichtgläubigen.

Ernst, E. (2022): Mythos vom Gift im Körper. Warum der Wahn um Entgiftung gefährlich ist. Die WELT, 2.11.2022
Das Detox-Märchen
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