Im Buch Wider die Angst habe ich ausführlich erklärt, woher die spezifisch deutsche Angst vor dem Einsatz von Nuklearwaffen stammt. Denn tatsächlich war Deutschland ja über die Jahrzehnte des Kalten Krieges hinweg dazu ausersehen, das nukleare Schlachtfeld einer Auseinandersetzung zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt zu sein.
Nach seinem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine nutzt der russische Machthaber Wladimir Putin diese historische Schwäche, um die deutsche Öffentlichkeit weiter zu verunsichern. Es sollte uns zu denken geben, dass seine Drohungen von der Öffentlichkeit in den Nuklearstaaten Frankreich und Großbritannien ebenso wie in Polen und Italien weit weniger besorgt aufgenommen werden, als bei uns.
Von außen betrachtet mutet die Atombombenangst der Deutschen vielen Beobachtern als überzogen, wenn nicht gar hysterisch an. In anderen Ländern Europas wird das Thema jedenfalls viel kühler diskutiert.
Bolzen, S.; Meister, M.; Kirst, V. und Fritz, P: Die ungewöhnliche Angst der deutschen vor Putins nuklearen Waffen, Die WELT 2.10.2022
Update 30.Oktober 2022
Boris Bondarev, russischer Karrierediplomat bei der UNO in Genf, der im Mai 2022 aus Protest gegen den Überfall auf die Ukraine zurücktrat und sich inzwischen dauerhaft in der Schweiz aufhält, gilt als hervorragender Kenner der russischen Regierung.
I don’t think that (the Russian nuclear threat) has to be taken serious by now
Bondarev, B, im CNN Interview 30.10.2022