Nein, hier geht es nicht um China-Bashing. Sondern ganz im Gegenteil um deutsche Dummheit: Immer wieder werden hierzulande fantastische Erfindungen gemacht, deren Potenzial wir nicht nutzen. Fehlende finanzielle und gesellschaftliche Risikobereitschaft, absurdes Bestreben nach Investitionssicherheit und die Angst vor noch so unwahrscheinlichen negativen Folgen lähmen uns immer wieder.

Das jüngste Beispiel ist ein Kernreaktor der so genannten Vierten Generation: Klein, schnell zu errichten, vor allem aber inhärent sicher. Reaktorunfälle, wie etwa eine Kernschmelze, von vielen Angstmachern als der „Größte Anzunehmende Unfall“ oder GAU bezeichnet, kann es darin gar nicht mehr geben. Während mehrere Prinzipen für solche Reaktoren existieren und verschiedene Systeme (nicht in Deutschland) in der Entwicklung sind, hat China seit etlichen Jahren ein Projekt weiter verfolgt, das in Deutschland seit 1989 eingestellt ist.

Wie das China Global Television Network heute mitteilt, wurde der erste Hochtemperatur-Kugelhaufenreaktor des Landes am 6. Dezember 2023 in den kommerziellen Regelbetrieb überführt. In einem solchen Kugelhaufenreaktor ist der Kern“brennstoff“ in etwa handgroße Kugeln aus Graphit eingeschlossen, das als Moderator (=Neutronenbremser) wirkt. Diese Kugeln liegen als lose Packung in einem entsprechenden Behälter vor und werden durch das Gas Helium gekühlt. Dabei werden deutlich höhere Temperaturen des Arbeitsmittels erreicht, als in den heute weit verbreiteten Leichtwasserreaktoren. Verbunden damit ist ein höherer Wirkungsgrad bei der Stromerzeugung. Darüber hinaus ist der Betrieb teilweise mit Thorium und Natur-Uran möglich, so dass damit die Abhängigkeit von angereichertem Reaktor-uran deutlich verringert würde.

Bild: Stefan Kühn, Public domain, via Wikimedia Commons

Das Prinzip geht auf den US-amerikanischen Wissenschaftler Farrington Daniels zurück, wurde aber ab 1956 vor allem in Deutschland weiter entwickelt. An einem Versuchsreaktor der Kernforschungsanlage Jülich mit der Bezeichnung AVR hat man zunächst das Funktionsprinzip des Hochtemperaturreaktors weiter erprobt. Danach fiel die Entscheidung zum Bau des Thorium-Hochtemperaturreaktors THTR-300 in Hamm-Uentrop.

Der THTR-300 wurde 1983 testweise in Betrieb genommen, aber schon 1989 nach nur 423 Tagen Vollastbetrieb endgültig stillgelegt. Das Projekt gilt heute als einer der größten Fehlschläge der deutschen Industriegeschichte. Die Gründe für die Stilllegung des deutschen Prototyps sind durchaus vielfältig und können dem verlinkten Wikipedia-Artikel entnommen werden: Ungelöste technologische Probleme, nicht-nukleare Störfälle, Sicherheitsbedenken und eine weitgehend ungeklärte Wirtschaftlichkeit haben zum Rückzug der deutschen Industrie aus dem Projekt geführt. Allerdings ist heute der Standpunkt der chinesischen Betreiber aus Wissenschaft, Industrie und Regierung:

China plant deshalb am gleichen Standort des gegenwärtigen Systems, der Huaneng Shandong Shidao Bay Nuclear Power Plant in der ostchinesischen Provinz Shandong, den Bau von 18 (!) weiteren Reaktoren dieses Typs.

Kugelhaufenreaktor – deutsche Entwicklung in China kommerzialisiert I
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