Auf dem so genannten Welt-Klimagipfel COP29 in Baku, Azerbaidjan, erklärte der UNO-Generalsekretär António Guterres, dass die „reichen Länder“ doch bitte den Flugverkehr ebenso wie den Schiffsverkehr mit Abgaben belegen sollten. Allerdings nicht etwa, um ihre eigene Transformation in Richtung auf weniger fossile Emissionen zu finanzieren. Sondern vielmehr, um diese Erlöse unmittelbar an die „armen Länder“ weiterzureichen. Unter Anderem begründete er dies mit immer häufigeren Wetterkatastrophen und forderte „Klimagerechtigkeit“

„Die Reichen verursachen das Problem, die Armen zahlen den höchsten Preis“

UNO-Generalsekretär António Guterres, COP29, 12.11.2024

Zunächst einmal zur Faktenlage. Tatsächlich zeichnet sich seit etwa 25 Jahren ein leichter (!) Anstieg der Naturkatastrophen ab.

Im Jahr 2024 wurden weltweit 398 Naturkatastrophen registriert. Dieser Wert liegt leicht unter dem Durchschnitt der vergangenen zwanzig Jahre (400). Die meisten Naturkatastrophen im untersuchten Zeitraum ereigneten sich im Jahr 2019: In diesem Jahr kam es zu 449 Naturkatastrophen.

Pawlik, V.. Statistikportal Statista, Juli 2024. Siehe Grafik unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/249326/umfrage/anzahl-der-weltweiten-naturkatastrophen/

Nun umfassen „Naturkatastrophen“ auch andere Ereignisse, insbesondere Erdbeben. Hier muss man also sorgfältig trennen, denn „häufigere Wetterkatastrophen“, so wie von Guterres behauptet, sind eben bisher nicht nachgewiesen. Allerdings sind diese für die Zukunft durchaus zu befürchten, denn es ist durch den Klimawandel einfach mehr Energie in der Atmosphäre vorhanden – so habe ich es schon in Wider die Angst geschrieben. Bestätigt wird dies durch eine aktuelle Berechnung

North Atlantic tropical cyclone (TC)-resolving general circulation models project a 36% increase in the variance of North Atlantic TC activity, measured by accumulated cyclone energy, by the middle of the 21st century.

Lopez, H., Lee,S-K et.al.: Projected increase in the frequency of extremely active Atlantic hurricane seasons, Science Advances, 15 Nov 2024, Vol 10, Issue 46, doi 10.1126/sciadv.adq7856

Doch halt – hier geht es um den Nordatlantik, und somit nicht um Wirbelstürme auf der südlichen Erdhalbkugel. Schauen wir uns also die Behauptung von Guterres an, dass die „reichen Länder“ Täter und die „armen Länder“ Opfer seien

  • Tatsächlich meldet der weltweit tätige Rückversicherer Munich Re (=Münchener Rück) für das erste Halbjahr 2024 eine ausgezahlte Summe von 120 Milliarden US-$ – deutlich mehr als das langjährige Mittel von 76 Milliarden US-$. Allerdings wurde, so der Versicherer, der größte Anteil dieser Kosten durch die Hochwasserkatastrophe in Süddeutschland und anderen europäischen Ländern sowie das Erdbeben in Japan verursacht. Dies widerspricht klar der Behauptung von Guterres.
  • Nach Angaben des Versicherers ist der Anstieg der Kosten im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die betroffenen Regionen immer dichter besiedelt sind und eine immer teurere Infrastruktur aufweisen. In der Liste der für die Versicherungswirtschaft teuersten Naturkatastrophen, die auf dem renommierten Statistikportal Statista publiziert wurde, stehen tatsächlich neben zwei Erdbeben acht Hurrikan-Ereignisse. Und wie man leicht nachprüfen kann, wurden die hauptsächlichen Schäden dieser Ereignisse in den USA und in Japan verursacht. Auch dies widerspricht also Guterres.
  • Nun könnte man argumentieren, dass eben in den armen Ländern der Schaden nicht in Dollar gemessen werden könne, und sowieso keine Versicherungen bestünden. Also werfen wir einen Blick auf die Anzahl der Todesopfer. In der ebenfalls bei Statista zu findenden Liste der nach Todesopfern schlimmsten Naturkatastrophen finden wir tatsächlich außer dem nun wirklich nicht mehr „armen“ China und dem Schwellenland Indonesien die Namen Haiti, Myanmar und Bangladesh.
    • Zunächst muss man allerdings sagen, dass Haiti, Indonesien und China durch Erdbeben und Tsunami betroffen waren – und nicht einmal die extremsten Klimaaktivisten wagen zu behaupten, dass diese durch den Klimawandel hervorgerufen wurden. Auch hier widerspricht die Faktenlage also Guterres.
    • 1991 wurden Bangladesh und 2008 Myanmar tatsächlich von Zyklonen heimgesucht, die jeweils mehr als 136.000 Todesopfer forderten. In beiden Ländern hatte dies schwerwiegende Folgen für Infrastruktur und Landwirtschaft, und eine ursächliche Verknüpfung der Häufigkeit von Wirbelstürmen mit dem Klimawandel kann als gesichert gelten. Beide Länder kann man also tatsächlich als Opfer des Klimawandels sehen.
      • Die Situation in Bangladesh habe ich im Buch Wider die Angst geschildert – sie ist, wie so oft, durch die lokale Siedlungspolitik und das immense Bevölkerungswachstum verursacht worden. Hier ist trotzdem Hilfe nötig, um das Land besser gegen künftige Ereignisse abzusichern – und das erfolgt durchaus durch entsprechende Hilfen auch aus dem Ausland. Besonders erwähnenswert ist, dass niederländische Experten versuchen, das fast auf Meereshöhe liegende Land beim Deichbau zu beraten.
      • Die Situation in Myanmar ist schlimmer, weil es autoritär regiert wird und ausländische Hilfen kaum dort ankommen, wo es nötig wäre. Ein brauchbar recherchierter Artikel von Richard Licht im Tagesspiegel aus dem Jahr 2018 sei hier als Quelle zur weiteren Lektüre empfohlen.

Fazit also: Insgesamt widerspricht die Faktenlage der Behauptung des UNO-Generalsekretärs geradezu dramatisch. Insbesondere lässt sie nicht den Schluss zu, dass ein Geldtransfer in die „ärmeren Länder“ nach dem Gießkannenprinzip irgendeinen positiven Effekt hätte.

Doch betrachten wir die Aussage von Guterres noch einmal unter einem anderen Aspekt. 2019 wurde die deutsche Klima-Aktivistin Luisa Neubauer, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und der „Grünen Jugend“ in einer Interviewsendung damit konfrontiert, dass Grünen-Wähler überproportional häufig mit dem Flugzeug unterwegs sind. Neubauer erklärte dies wie folgt:

Grünen-Wähler sind überproportional gebildet, haben ein höheres Einkommen als Wähler anderer Parteien. … Daraus leitet sich dann ein Lebensstandard ab, der höher ist, und das kommt auch mit dem Fliegen einher, also einem höheren CO2-Fußabdruck.

Luisa Neubauer in einem Interview von stern-info 2019, O-Ton zu finden unter https://www.youtube.com/watch?v=EyBFerLcNU4

Neubauer, die zu der tatsächlich sehr vermögenden Reemtsma-Familie gehört und wegen ihrer bekannten Affinität zu Flugreisen von manchen sarkastisch als „Langstrecken-Luisa“ bezeichnet wurde, fiel im Herbst 2024 damit auf, dass sie zunächst für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris Wahlkampf im „Swing-State“ Pennsylvania machte. Und von dort aus nach Baku, Azerbaidjan flog, um an der COP29 teilzunehmen.

Fliegen muss teurer werden?
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