Am 29. Oktober 2024 kam es in der spanischen Provinz Valencia zu einem katastrophalen Unwetter. Ein Starkregenereignis, bei dem innerhalb eines Tages so viel Regen fiel, wie sonst in einem ganzen Jahr, setzte mehrere Stadtteile von Valencia und benachbarten Kleinstädten unter reißende Wassermassen. Mehr als 230 Personen kamen zu Tode, die Schadenshöhe wird derzeit (November 2024) auf viele Milliarden Euro geschätzt. Den Geschädigten und den Hinterbliebenen der Opfer gilt mein Mitgefühl. Sehr schnell äußerten sich deutsche Politiker zu den Ursachen und verorteten diese – natürlich – im Klimawandel:
Vor ihrer Abreise zur COP29 in Baku erklärte Außenministerin Annalena Baerbock heute: Die Klimakrise ist die größte sicherheitspolitische Herausforderung unserer Zeit. Sie macht keinen Halt an Grenzen. Sie schert sich nicht um geopolitische Spannungen. Und sie kümmert sich schon gar nicht um Wahltermine. Sie trifft die Obsthändlerin in Valencia, deren Laden im Flussschlamm versinkt…
Schauen wir uns das also genauer an. Valencia geht auf eine römische Stadtgründung im Mündungsgebiet des Rio Turia aus dem Jahr 138 v. Chr. zurück. Der Meeresspiegel lag damals etwa 4 m unter dem heutigen Niveau, doch Überschwemmungen durch den Fluss Turia sind in den Stadtchroniken seit dem 14. Jahrhundert verzeichnet. Schon bei der Überschwemmung vom 13. August 1356 hatte es mehr als 400 Tote gegeben, eine Katastrophe am 20. Oktober 1589 gab den entscheidenden Anstoß für den Bau von Dämmen. 1590 wurde die Nueva Fábrica del Rio gegründet, deren Aufgabe die Eindämmung des Flusses war. Das war jedoch in den nachfolgenden Jahrhunderten nur mäßig erfolgreich. Am 29. September 1949 wurde beispielsweise in der „Flut von San Miguel“ eine ganze Armen- und Flüchtlingssiedlung weggerissen.
Die so genannte „Große Flut von Valencia“ folgte dann am 13. und 14. Oktober 1957. Ein Kaltlufttropfen, lokal als „Gota Fría“ bezeichnet, verursachte ungewöhnlich starke, über zwei Tage anhaltende Niederschläge in den am oberen Lauf des Rio Turia liegenden Kleinstädten. Gegen Mittag des 14. Oktober setzten auch in Valencia schwere Regenfälle ein, gemessen wurden 125 l/m² (90 l/m² innerhalb 40 min), zeitgleich mit dem Eintreffen der Wassermassen durch den Fluss. Örtlich soll es bis zu 817 l/m² Niederschlag in 24 h gegeben haben, viele Ortsteile von Valencia standen meterhoch unter Wasser, alle Versorgungsnetze brachen zusammen. 81 Menschen verloren ihr Leben.
Am 29. Oktober 2024 gab es erneut ein „Gota Fría“-Ereignis. Dabei fielen Regenmengen von bis zu 422 Liter/m² in 8 Stunden, die Fluten von Schlamm und Wasser durch die Stadt sandten. Einen wesentlichen Unterschied zu den Überschwemmungen der vorhergehenden Jahrhunderte erkennt man daran, dass dabei rund 115.000 Autos zerstört und etwa 60.000 Wohnungen beschädigt wurden und, leider, mindestens 230 Menschen ihr Leben verloren. An diesem Verhältnis lässt sich aber auch ablesen, dass die Schutzmaßnahmen, die im Nachgang der „Großen Flut“ von 1957 ergriffen worden sind, ihre Wirkung entfalteten – sonst wären dem Ereignis von 2024 höchstwahrscheinlich noch weit mehr Menschen zum Opfer gefallen.
Die Frage, ob die Naturkatastrophe von 2024 ihre Ursache im Klimawandel hat, kann man ganz klar und mit absoluter Sicherheit verneinen: Sowohl das lokale „Gota Fría“-Ereignis, als auch die katastrophalen Überschwemmungen in Valencia sind seit Jahrhunderten dokumentiert.
Eine andere Frage ist, welchen Einfluss der Klimawandel auf solche Ereignisse hat.
Wie schon bei der Flutkatastrophe im deutschen Ahrtal 2021 ist festzustellen, dass solche Starkregenereignisse in der Zukunft häufiger auftreten können – ganz einfach deshalb, weil die wärmere Atmosphäre mehr Wasser aufnehmen kann.
Ob sich das heute schon nachweisen lässt, ist umstritten. Das ändert aber nicht die notwendige Schlussfolgerung: Wir müssen unsere eigene Geschichte kennen und ernst nehmen, und die notwendigen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel ergreifen. Der Schutz unserer Menschen und unserer Infrastruktur muss ernster genommen werden, als bisher. Und das muss auch beinhalten, die engmaschige Besiedlung von bekannten Flutgebieten auf den Prüfstand zu stellen.
Eine andere Frage ist: Werden uns „Maßnahmen“ vor dem Klimawandel bewahren?
Valencia hat sich zum Ziel gesetzt hat, schon bis zum Jahr 2030 „komplett klimaneutral“ zu sein. Damit das gelingt, werden bereits heute zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Das hatte zur Folge, dass die Stadt Valencia von der EU-Kommission einen Ehrentitel verliehen bekommen hat – sie ist für 2024 die „Grüne Hauptstadt Europas“.
Jedoch: Wie wir gesehen haben, hat dies die Naturkatastrophe von 2024 eben nicht verhindert. Aber wie sollte dies auch sein? Selbst wenn man Valencia (oder ganz Spanien) komplett aus diesem Universum entfernen würde, hätte dies keinen Einfluss auf die starke Verdunstung über dem Mittelmeer gehabt. Der Klimawandel ist real, und er wird sicher ein Jahrhundert andauern. Verhindern können wir ihn also durch „Maßnahmen“ nicht.