Am 1. Januar 2023 ist das neue Lieferkettengesetz in Kraft getreten. Im Prinzip ist das eine gute Idee: Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern sind verpflichtet, darauf zu achten, dass alle bezogenen Vorprodukte – eben entlang der gesamten Lieferkette – nicht unter Verletzung von Menschenrechten und Umweltstandards gefertigt worden sind. Ab 2024 soll das dann auch für Unternehmen mit weniger als 3000 und mehr als 1000 Mitarbeitern gelten, und die EU-Kommission bereitet weitere Verschärfungen vor.
Ein Beispiel dafür, was dies bewirken kann: Es könnte dafür sorgen, dass Kinderarbeit in Indien und in Afrika zurückgeht – was in jeder Hinsicht wünschenswert wäre.
Allerdings halte ich dieses Gesetz für ethisch höchst bedenklich, weil es die Standards einer postindustriellen Informationsgesellschaft auf Gegenden der Welt überträgt, die noch etliche Jahrzehnte benötigen, um diesen Stand von sich aus und aus eigenem Antrieb zu erreichen. Es ist offensichtlich, dass dies in Extremfällen zur Ablehnung solcher Standards führen wird – einfach deshalb, weil sie von außen kommen.
Mehr noch: Der bekannte Umweltaktivist Michael Shellenberger hat nachgewiesen, dass Arbeit auch unter nach unseren Maßstäben schlechten Bedingungen mittelfristig gut für den Planeten ist – weil sie den betreffenden Menschen eben ermöglicht, aus ihrem Elend herauszukommen. Und das aus eigener Kraft, ohne dass man sie künstlich alimentiert.
Contrary to what I and others have long believed, the the positive impacts of manufacturing [in poor countries] outweigh the negative ones. We should thus feel pride, not guilt, when buying products made by people like Suparti [a worker from an Indian fashion „sweat shop“].
Shellenberger, M. (2020): Apocalypse Never. Why Environmental Alarmism hurts us all. HArperCollins 2020
Eine gute Zusammenfassung der Argumente Shellenbergers findet man bei The New Atlantis.
Shellenberger betrachtet dies vom Standpunkt des Umweltaktivisten. EIne eher auf den wirtschaftlichen Aspekt ausgerichtete Analyse, in welcher er zum gleichen Schluss kommt, wurde schon 2015 von dem Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften Angus Deaton in seinem weltbekannten Buch Great Escape: Health, Wealth, and the Origins of Inequality publiziert (Princeton University Press 2015)
Während sich also das Lieferkettengesetz einerseits durchaus darin verdient machen könnte, das Unrecht in der Welt zu verringern, wirkt es sich ganz sicher negativ auf die ökonomische Situation der armen Länder aus. Und ist damit nicht nur zukunftsfeindlich für diese Menschen, sondern auch in hohem Maße klimaschädlich.